Blick in die Praxis: Projekte in Finnland

Wir lenken unseren Blick heute auf Finnland – zusammen mit Deutschland unser wichtigster Kernmarkt in Europa. Im Interview mit reconcept-Geschäftsführer Karsten Reetz möchten wir erfahren, welche Chancen reconcept am finnischen Markt der Erneuerbaren Energien weiterhin sieht und welche Neuigkeiten aus der Projektentwicklung des „Teams Helsinki“ zu berichten sind.

Herr Reetz, reconcept ist inzwischen seit zehn Jahren in Finnland aktiv – mit welchen Erfahrungen?

Reetz: Wir haben 2013 erstmals unsere Fühler in Finnland ausgestreckt. Vieles sprach schon damals dafür, dort in den Windmarkt einzusteigen. Finnland verfügt durch seine topographische Beschaffenheit und mit dünn besiedelten Regionen über ein enormes Potenzial für die Windenergie. Starke Winde herrschen vor allem entlang der mehr als 1.100 Kilometer langen Küsten. Zudem gab es damals noch ein dem deutschen EEG ähnliches Förderungssystem für Erneuerbare Energien. Die ersten Windenergieanlagen, die über unsere KG-Beteiligungsangebote finanziert wurden, gingen dann 2015 ans Netz und speisen seitdem grünen Strom ins Netz.

Danke für den Blick zurück, doch wo stehen Sie heute?

Reetz: Heute sind wir über unsere Tochtergesellschaft „Tuulialfa Oy“ mit eigenen erfahrenen Windparkspezialisten vor Ort von Helsinki aus aktiv. Dadurch haben wir einen exzellenten Zugang zum Markt. Unsere Projekt-Pipeline wächst kontinuierlich. Aktuell arbeitet das Projektentwicklungsteam an Windparks mit rund in Summe mehr als 3.000 Megawatt. Tuulialfa Oy gehört heute zu den zehn führenden Projektentwicklern in Finnland.

Wie sieht dabei Ihre Business-Strategie in Finnland aus?

Reetz: Die Planung und Konzeption von Windparks stehen auch in Finnland in unserem Fokus. Wir entwickeln Windparks bis zur Baureife (Ready-to-build), starten also mit der Flächensicherung, verhandeln Pachtverträge und kümmern uns um behördliche Genehmigungen und lokale Vereinbarungen. Alles mit dem Ziel, genehmigte Projekte mit Gewinn zu veräußern. Über unsere Anleihen finanzieren wir dabei diese Projektphasen bis zum Verkauf. Das ist ein margenstarkes Geschäft.

Und geht Ihre Strategie auf?

Reetz: Unser Team Helsinki hat bereits mehrfach unter Beweis gestellt, dass unsere Strategie aufgeht. So konnten beispielsweise 2019 zwei Windparks erfolgreich verkauft werden und auch vergangenes Jahr haben wir eine Projektpipeline mit sechs Windparks mit in Summe von rund 1.200 Megawatt (MW) verkauft. Derzeit in der Bearbeitung ist ein eigenes 3.000 MW umfassendes Portfolio, das wir plangemäß in den nächsten ein bis zwei Jahren auf den Markt bringen wollen. 

Stehen die Chancen am finnischen Markt der Erneuerbaren Energien denn weiterhin gut?

Reetz: Die Nachfrage nach Windstrom wächst unverändert. Einerseits aufgrund von Klimaschutzvorhaben. Finnland will die erste Industrienation werden, die frei von fossilen Energien ist. 2035 soll das Land klimaneutral sein. Zudem will sich Finnland unabhängig von Stromimporten (vor allem aus Russland) machen. Gleichzeitig hat Finnland einen enormen Strombedarf. Mit jährlich rund 14.500 Kilowattstunden einen fast dreifach so hohen Stromverbrauch pro Kopf wie der europäische Durchschnitt. Das hat natürlich mit den nordischen Temperaturen zu tun, aber der hohe Energiebedarf erklärt sich auch durch die für Finnland typischen energieintensiven Wirtschaftszweige wie die Papier- und Stahlindustrie. Finnland ist zudem bei fossilen Brennstoffen vollständig von Importen aus dem Ausland abhängig. Windstrom nimmt daher bei der klimafreundlichen Transformation eine wichtige Rolle ein. Das Ausbau-Potenzial ist groß: Mit derzeit rund 12 Prozent bzw. rund 11,5 Terawattstunden ist der Anteil der Windkraft an der Gesamtstromversorgung in Finnland zwar in den vergangenen Jahren weiter angewachsen, jedoch immer noch vergleichsweise niedrig. Zum Vergleich: In Deutschland sorgt Windenergie zu 25 Prozent für unsere Stromversorgung.

In Deutschland wird aktuell ja sehr viel Photovoltaik ausgebaut. Kann Solarenergie auch in Finnland kommerziell sinnvoll eingesetzt werden?

Reetz: Es mag überraschen, dass im Norden Europas Solarenergie als mögliche Quelle zur Ökostromproduktion gesehen wird. Aber Finnlands dunkle und lange Wintertage haben auch eine positive Kehrseite. In den Wochen rund um Mitsommernacht, scheint die Sonne mehr als 20 Stunden und damit einhergehend steigt auch die Produktivität der Photovoltaik-Anlagen. Vor allem aber wird Photovoltaik dank des starken Preisverfalls für Solarmodule auch in Finnland verstärkt interessant, insbesondere wenn Synergien genutzt werden können auf bereits entwickelten und mit Infrastruktur versehenen Flächen.

Stichwort Synergien nutzen – wie schätzen Sie die Chancen von Hybridparks ein?

Reetz: Wir sehen in Hybridparks eine vielversprechende Zukunft. Hybridlösungen können für eine stabilere Netzauslastung sorgen und in Kombination mit Speichertechnologien für mehr Flexibilität in der Stromversorgung. Unsere jüngst gegründete Tochtergesellschaft Vetyalfa konzentriert sich auf das Segment Hybridparks. Bestehende Windparks können entweder durch zusätzliche Technologien wie Solar, Batterie oder Elektrolyseur (zur Wasserstoffgewinnung) nachträglich erweitert werden oder Hybridparks werden von Anfang an als eine Einheit geplant und gebaut. Die Vorteile liegen auf der Hand: Platzersparnis, stabilere Netzauslastung und eine effiziente Nutzung von gemeinsamen Netzanschlüssen. 

Spannend. Verraten Sie uns, was sich hinter dem Namen Ihrer neuen Gesellschaft Vetyalfa verbirgt?

Reetz: Vety steht im Finnischen für Wasserstoff.

Herzlichen Dank für diese vertieften Einblicke in Ihre Projektentwicklung.

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