Gut beraten, wer jetzt noch in Anlagen mit alter EEG-Förderung investiert

Interview mit Karsten Reetz, Geschäftsführer der reconcept Gruppe

Für die Windenergie in Deutschland bricht ab 2017 ein neues Zeitalter an. Eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beinhaltet einen Systemwechsel. Zukünftig soll es mehr Wettbewerb am Markt geben. Das verändert die Spielregeln für Windparks grundlegend und hat damit auch spürbare Folgen für Investments in Windenergie.

Herr Reetz, die Weichen der Energiewende werden mit dem EEG 2016 neu gestellt. Was sind die zentralen Änderungen der EEG-Novelle?
Das EEG ist seit seiner Verabschiedung schon oft geändert worden, doch mit dem EEG 2016 steht ein Systemwechsel an. Statt der festen und klar definierten Vergütung von eingespeistem Strom wird zukünftig über Ausschreibungen entschieden, wer erneuerbare Energieanlagen bauen und betreiben darf und zu welchem Preis der Strom abgenommen wird. In der Praxis bedeutet das, dass eine bestimmte Leistung von der Bundesnetzagentur benannt wird und sich die Projektentwickler darauf bewerben können. Diejenigen, die die günstigsten Preise anbieten können, bekommen den Zuschlag. Darüber hinaus soll der Zubau von Windenergieanlagen an Land gedeckelt werden – auf maximal 2.800 Megawatt (MW) bzw. rund 1.000 neue Windräder.

Wettbewerb also statt Subventionierung. Die Zeit des Welpenschutzes ist laut Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorbei. Erneuerbare Energien seien mittlerweile schließlich „zu Wachhunden herangewachsen“. Hat er Recht?
Diese Debatte geht doch komplett am Thema vorbei: Das EEG war bisher der Motor der Energiewende. Deutschland hat die selbst gesteckten Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien dadurch schneller erreicht als gedacht. Wir sind in einer starken Vorreiterrolle, die sich auch industrie- und arbeitsmarktpolitisch auszahlt. Bei der Windenergie bestimmen Unternehmen, die in Deutschland produzieren, das Tempo der Entwicklung in stark wachsenden Märkten in allen Teilen der Welt. Dieser Motor droht nun ins Stocken zu geraten. Die deutsche Energiewende wird ohne einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien ihre Klimaschutzziele nicht erreichen können. Mit 30 % leisten erneuerbare Energien inzwischen einen beachtlichen Anteil an der Stromversorgung in Deutschland, doch weit mehr ist machbar und sinnvoll. Noch 2014 hatte die Bundesregierung vorgegeben, dass der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland um mindestens 40 % gegenüber 1990 sinken soll. Da ist es doch grotesk, dass ausgerechnet der Ausbau der preiswerten Windenergie an Land gedrosselt werden soll.

Ist es denn nicht sinnvoll, dass Strom so preiswert wie möglich hergestellt wird?
Auf die Marktakteure wird viel Bürokratie zukommen, das wird die Entstehungskosten doch nicht günstiger machen, vielmehr werden die Kosten für Projekte steigen. Und um einmal mit dem Märchen von der „teuren hohen Ökostrom-Umlage“ aufzuräumen: Wind, Wasser und Sonne liefern schon heute die Energie billiger als Atom- und Kohlekraftwerke. Das fällt aber nicht auf. Die hohen Subventionen für konventionelle Erzeuger erscheinen nämlich nicht auf der Stromrechnung. Die Subventionen für Atom und Kohle zahlen wir Verbraucher durch Steuern und Abgaben. Denn die Industrie ist von der EEG-Umlage teilweise ausgenommen worden, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Nach Berechnungen des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BWE) ist der erlassene Betrag von 410 Mio. Euro für 282 energieintensive Unternehmen im Jahr 2006 auf inzwischen etwa fünf Milliarden Euro für 2.200 Firmen gestiegen. Lenkt man seinen Blick etwas weiter in die Vergangenheit wird alles noch grotesker: 641 Mrd. Euro flossen laut einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) bis 2014 in Atom und Kohle, in Erneuerbare Energien gerade einmal 102 Mrd. Euro. Nicht eingerechnet sind hierin die gesamtgesellschaftlichen Kosten für Nuklearabfälle, Klimaschäden und Umweltverschmutzung.

Welche Vor- und Nachteile erwarten Sie durch die EEG-Reform?
Vorteile erkennen wir derzeit nicht. Der Gesetzgeber sollte bürokratisch-restriktive Hemmnisse beseitigen und keine neuen schaffen. Unter dem EEG hat sich die innovationsstarke und international führende Windindustrie entwickelt. Im letzten Jahr gingen in Deutschland Offshore-Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 2.300 MW neu ans Netz, bei der Windkraft an Land waren es rund 3.500 MW. In diesem Jahr rechnet die Branche mit einem Zubau von 3.300 MW an Land und 700 MW im Meer. Diese erfreuliche Dynamik der Energiewende soll nun ausgebremst werden, der Zubau auf jährlich 2.800 MW gedrosselt werden. Mehr als 150.000 Beschäftigte in der Windindustrie, eine Exportquote von mehr als 67% und eine hohe Wertschöpfung. Das alles soll durch einen Systemwechsel grundlegend in Frage gestellt. Wo bleibt der Sinn?

Was raten Sie Anlegern in dieser  Situation?
Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich noch vor Inkrafttreten der EEG-Reform ein Investment in Windenergieanlagen sichern. Bestandsanlagen erhalten auch weiterhin die alte EEG-Förderung. Darüber hinaus sind die sogenannten Übergangsanlagen interessant. Windkraftprojekte, die bis Ende 2016 genehmigt wurden und bis Ende 2018 in Betrieb genommen werden, werden weiterhin nach dem EEG 2014 gefördert – erhalten also über 20 Jahre nach Inbetriebnahme klar definierte Fördertarife. Aber auch nach 2017 bleibt der Windmarkt in Deutschland interessant für Anleger – allerdings ist von voraussichtlich niedrigeren Renditezielen auszugehen. Gut beraten ist daher, wer noch dieses Jahr in Windkraft investiert.

Gibt es auch Profiteure der Reform?
Groteskerweise werden die großen Energieversorger von der Reform profitieren, also ausgerechnet jene Marktplayer, die über Jahrzehnte an den fossilen und nuklearen Energieträgern festgehalten haben. Bis dato gibt das EEG allen Akteuren der Energiewirtschaft eine faire Basis für die Marktteilnahme. Egal ob Bürgerwindpark, Energiegenossenschaft, Stadtwerk oder Windenergie- Beteiligungsgesellschaft, jeder konnte mit gleichen Startbedingungen in den Markt eintreten. Das künftige Modell wird dagegen kleine Akteure systematisch benachteiligen. Denn das Ausschreibungsverfahren ist mit hohen Vorlaufkosten verbunden. Wer geht jedoch in eine Vorfinanzierung, wenn unklar bleibt, ob man überhaupt zum Zug kommt? So wird die Zahl der Marktteilnehmer administrativ verkleinert werden. Die Kollateralschäden sind noch nicht vollständig absehbar – doch wenn Bürger sich nicht am Ausbau der Windenergie beteiligen können, könnte dies Akzeptanz der Energiewende untergraben.

Bleibt Asset-Managern vor diesem Hintergrund nur noch die „Flucht“ ins Ausland übrig?
reconcept ist ja mit Finnland und Kanada bereits seit mehreren Jahren auch jenseits der deutschen Grenzen aktiv. Aktuell sondieren wir durchaus weitere europäische Märkte. Doch auch Deutschland bleibt in unserem Investitionsfokus, auch wenn es ab 2017 ohne Frage unbequemer wird. Bildlich gesprochen, werden wir daher noch tiefer in den Meeren nach den schönsten Perlen suchen müssen. Dank unseres Netzwerkes haben wir schon heute eine gute Pipeline aufbauen können. Zudem bleiben natürlich neben Investitionsvorhaben in neue Windparks Bestandsanlagen und Repoweringprojekte, die von einer aktuellen Vergütung profitieren, weiterhin spannend. Hier wird die Preisentwicklung zu beobachten sein.

Ihr aktuelles Beteiligungsangebot RE09 Windenergie Deutschland geht in der Liquiditätsrechnung im Prospekt davon aus, dass die Investitionen bis Ende 2016 im Wesentlichen
abgeschlossen sind. Wie gehen Sie hier vor?

Nach den Investitionskriterien kann sowohl in bestehende als auch in baureife Projekte investiert werden – und daher haben wir vorgesorgt. Das Asset- und Projektmanagementteam hat  eine attraktive Projektpipeline aufgebaut, sodass wir für Windenergieanlagen mit „alter“ EEG-Förderung bereits in Vertragsverhandlungen sind. Wir sind daher mehr als optimistisch, unsere Prospekt vorgaben erreichen zu können. Für die aktuelle RE07 Anleihe der Zukunftsenergien hat sich unser guter Marktzugang bereits ausgezahlt: Die Anleihe finanziert zwei Windenergieanlagen, die beide noch von den alten EEG-Tarifen profitieren. 

Das Interview erschien erstmals in AssCompact 8/2016 - PDF zum Download hier

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